Aschi Blatter, dem der Ox gehört, sei wenigstens ehrlich, sagte mir unlängst ein einheimischer Interlakner Gewerbler: Blatter habe erzählt, er könne es sich leisten, das Restaurant Ox am Marktplatz geschlossen zu lassen. Natürlich ist das ein jämmerlicher Anblick, insbesondere im Vergleich zu der Zeit, als das Gebäude sorgfältig verpackt war und sich alle darauf freuten, das Geschenk dereinst auszupacken und zu geniessen.
Aber immerhin haben wir es bei Blatter mit einem Alteingesessenen zu tun: kein Vergleich zu den fremden Fötzeln, die ihre Läden leerstehen lassen oder gar vorgeben, sie betrieben ernsthafte Geschäfte – und ich spreche hier nicht von leidlich gelangweilten Weibchen, die sich als Hobby einen Laden leisten, womöglich bezahlt vom gütigen Göttergatten.
Von wegen Gewerbe
Nachfolgend darf ich ein paar der bizarren Geschäftsmodelle zeigen, die sich ausbreiten, wenn nicht nur Arbeit nichts mehr wert ist, sondern auch Gewerbe und Handel:
- Ich spreche von Shops, in denen Kassen ohne Umsatz brummen, um Belege zu generieren, wobei das entsprechende Geld regelmässig bar vorbeigebracht und flugs auf verschiedene Banken verteilt wird, auf dass niemand den Verdacht schöpfe, da werde Geld gewaschen.
- Ich spreche von Betrieben, in denen ganze Familiennetzwerke jenseits von ordentlichen Arbeitsgesetzen operieren und jeden ordentlichen Gewerbler als Idioten erscheinen lassen, der sich an die Gesetze hält, weil die Regeln ja einen Sinn haben, sprich etwa Gewerbefreiheit, Rechtsgleichheit oder Arbeitnehmerschutz sicherstellen sollten.
- Ich spreche von all den Liegenschaften, die sich die Schwerreichen dieser Welt hierzuberge kaufen, um Geld in Boden und Bauten zu verwandeln und den Geldwert damit zu sichern, wenn nicht zu steigern – und zwar ganz unabhängig von jeglichen Umsätzen. Von Rajan über Kumar bis bis Zhongji haben sich auf dem Bödeli Kräfte niedergelassen, zu deren Ursprüngen und Wirkmächtigkeit unsereins vielleicht lieber nicht zu viel wissen möchte. Als ich jedenfalls einmal kriegerischen Zusammenhängen Sri Lankas und Geldflüssen in Oberländer Liegenschaften nachging und darüber schrieb, forderte mich ein Oberländer Anwalt freundlich auf, das sein zu lassen – was ich umgehend tat, zumal ich den besagten Anwalt im Grenzgebiet von Moldawien und Transnistrien verortete.
Von wegen Neid
Zu schlechter Letzt höre ich schon die alte Leier vom Neid. Mit Verlaub ist mir diese Empfindung, die als Todsünde gilt, eigentlich komplett fremd: Seit frühester Kindheit habe ich im Privaten, im Sportlichen, im Sozialen und im Beruflichen so viel bekommen, dass ich nur demütig sein kann.
Hier geht es mithin nicht um Neid, sondern um Recht und Ordnung: dass sich Arbeit lohnt, dass die Anständigen nicht die Dummen sind, dass die netten Gutmenschen nicht systemisch übervorteilt werden und wir auf eine Spur geraten, die in Putins Russland endet, in Xis China, in Rajapaksas Sri Lanka oder in den Höfen und Kerkern arabischer Fürstentümer.
So einfach ist das und so klar. Aber unglaublich schwer zu machen: Denn das Genossenschaftliche unserer 1000 Jahre alten Berg- und Burgerschaften und das Republikanische unsere Passstrassen, unserer Schulen, Kraftwerke und Eisenbahnen ist institutionell zwar unerreicht stark und tüchtig, aber kapitalistisch armselig und schwach.
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