Neuer Anlauf im Hirschen Gunten

Verlottert: Hotel Hirschen Gunten

2006 wechselte das legendäre Hotel Hirschen in Gunten am Thunersee in die Hand der Ostschweizer Unternehmerfamilie Kumar und schloss 2007 seine Türen. Etliche Ansagen folgten, rund 10 Millionen Franken sollten fliessen, doch nichts geschah. Nun kommt der nächste Anlauf.

Laut der Gemeinde Sigriswil, zu der Gunten gehört, wird im Dezember 2019 die erste Sitzung stattfinden, die in einer Überbauungsordnung für das Hotelareal direkt am See münden soll. Wenn denn wirklich Geld fliesst, dürfte gastgewerblich demnach noch eine Kaffeebar übrigbleiben. Ansonsten sind sowohl im sanierten Mitteltrakt des Hotels wie auch in den als Neubauten geplanten West- und Ostflügeln Wohnungen vorgesehen. Die Eigentümer seien «sich bewusst, dass es sich bei den Wohnungen um Erstwohnungen gemäss eidgenössischem Zweitwohnungsgesetz handelt», stellte Sigriswil diesbezüglich schon früher klar.

Die Eigentümerfamilie ist ein Phantom, selbst das Schweizerische Handelsregister wird auf den Spuren von Kumars zum undurchdringlichen Gestrüpp: Zum einen ist der Name Kumar vorab in Nordindien millionenfach verbreitet, zum anderen tauchen im Handelsregister Ravinder, Ravi, Rajiv, Raghav, Ritesh und Rita Kumar auf. Erreichbar ist aber niemand: An einem der Firmensitze an der Löwengasse in St. Gallen gibt es keine Telefone, an einem anderen Firmensitz an der St. Galler Kugelgasse heisst es in gebrochenem Deutsch, es sei niemand da.

15 Jahre leere Versprechen an besten Lagen

Das Lichten des Handelsregisters schafft ein wenig Klarheit: Vor 15 Jahren tauchen diese Kumars unternehmerisch in der Schweiz auf. Mit Unterstützung von Schweizer Treuhändern übernimmt Rita im September 2004 aus der Hand der Pakistaner Tanver und Tayyab Khawaja das italienische Restaurant San Lorenzo in St. Gallen.

Im April 2006 ersetzen Rajiv und Raghav Kumar die erwähnten Tanver und Tayyab Khawaja im Verwaltungsrat des Hotels Walzenhausen – ein traditionsreiches Ausserrhoder Haus mit grandiosem Blick über den Bodensee. Im selbigen April 2006 ist Ritesh Kumar an einem ähnlich schönen Ort aktiv: Er wird Verwaltungsratspräsident im Hotel Hirschen in Gunten am Thunersee. Als Drehort für den deutschen Fussball-WM-Film Das Wunder von Bern leuchtet der denkmalgeschützte Betrieb letztmals auf, bevor er seine Türen schliesst und verlottert.

Dasselbe Schicksal ereilt das Hotel Walzenhausen: Nachdem der Branchenverband GastroSuisse 2013 noch seine Delegiertenversammlung hier abgehalten hat, schliesst das Haus 2016 die Türen und verlottert fortan ebenfalls. Treuhänderische Statthalter geben zwar hüben und drüben regelmässig leere Versprechen ab, aber realisiert wird wenig und nichts. Sinniger Ausdruck davon ist Kumars Hotelgruppe Swiss Dreams: Die Website gibt es gleich mehrfach, und das längst geschlossene Hotel Walzenhausen ist nach wie vor gelistet.

Brummendes Hotel Du Nord in Interlaken

Konkret fallen den Kumars derweil weitere Unternehmen in den Schoss: in St. Gallen die Bar Alhambra, das Restaurant Hörnli, die Focacceria Mamma Mia und das Hotel Gallo, in Rorschach das Seerestaurant. Im Berner Oberland schliesslich übernehmen Kumars das Hotel Restaurant Bären Bellevue in Krattigen, das über ähnlichen Weitblick verfügt wie Walzenhausen, sowie das Hotel Du Nord an bester Lage am Höheweg in Interlaken.

Du Nord Interlaken

Im Du Nord, wie der Bären oder der Hirschen einst ein tiefverwurzelter Familienbetrieb, ist immerhin etwas los: Zum einen logieren hier Busladungen asiatischer Gäste, andererseits dürften die Kumars in letzter Zeit bei laufendem Betrieb mehrere Millionen Franken in Sanierungen und Erweiterungen gesteckt haben. Derzeit entsteht ein grösseres Dachgeschoss, und im Parterre wird die Bar erneuert und das ehemalige Gourmet-Restaurant zur Saalkapazität umfunktioniert.

Die Entwicklungen in Interlaken und in Krattigen, wo ebenfalls ganze Busladungen asiatischer Gäste kurz absteigen, und die rasante Zunahme bewirtschafteter Ferienwohnungen im Grossraum Interlaken lassen den Weg im Hirschen Gunten erahnen: Wenn überhaupt etwas geht, könnten Kumars ähnlich vorgehen wie rund um Interlaken Thayanantharajan Rasaratnam, der haufenweise Ferienwohnungen vermietet.

Kein touristischer, sondern ein finanzieller Ansatz

Dass die Kumars jedenfalls den touristischen Profis im Swiss Peaks Resort in Meiringen nacheifern, wo die Zürcher Interhome operiert und der Walliser Philippe Lathion dahintersteht, ist kaum zu erwarten. Kumars unternehmerische Tätigkeiten in den letzten Jahrzehnten folgen eher dem klassischen ausländischen Modell: fremdes Geld mit hiesiger Hilfe an interessanten Schweizer Lagen parkieren, bei guter Nachfrage allenfalls gastgewerblich und touristisch investieren und im Übrigen die fremdsprachigen Netzwerke pflegen und stillhalten.

2 Kommentare

  1. Ich wünsche mir, dass die Gemeinden diesen wunderbaren Platz einkaufen und einen kulturellen Treffpunkt der zum Verweilen und Geniessen einlädt schaffen (am Besten ohne Konsumzwang). Aus finanzieller Sicht mögen überteuerte Wohnungen eine sinnvolle Investition sein. Spannender als finanzielle Ansichten sind aber Konzepte, die uns zusammenbringen können und Potentiale entfalten… Wie schön es wäre, wenn die Gemeinden so schöne Plätze (insbesondere diese, welche am verrotten sind) entprivatisieren und für die Benutzung und kreative Entfaltung freigeben. Naja, träumen ist ja noch nicht verboten 😊

    • Da bin ich genau auch Deiner Meinung. Eine Schande dass in einem solchen Fall die Gemeinde nicht eingreifen kann und die Liegenschaft enteignet. Das wird ja durchaus für andere zwecke auch gemacht.
      Wenn da 10 Jahre nichts gemacht wird so finde ich sollte man die Eigentümer enteignen und etwas für die Allgemeinheit machen.

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