Ein Interlakner Immobilienkönig und die Krise der Institutionen

Rund vierzig Liegenschaften sind laut Grundbuch in Interlaken und Umgebung mittlerweile sein Alleineigentum. Er kaufe «alte Häuser, die niemand will», dann saniere er sie mit eigens angestellten Handwerkern und vermiete sie, erklärte mir einmal Thayanantharajan Rasaratnam, der in der Gegend als Rajan bekannt ist.
2008 ist der Tamile mit seiner Frau und zwei Kindern eingebürgert worden, jahrelang hatte er bei Coop zuerst in Wengen, dann in Interlaken gearbeitet. Praktisch parallel zum Friedensprozess in Sri Lanka begann er 2009, im Grossraum Interlaken Liegenschaften zu kaufen.

Nach dem Krieg im Kaufrausch

Da es schwer vorstellbar ist, mit den Löhnen, die Coop seinen Mitarbeitenden in den Läden draussen bezahlt, ein Immobilienimperium im Wert von schätzungsweise 50 Millionen Franken aufzubauen, fragte ich auch, ob Rajans im Lotto gewonnen hätten. «Leider noch nicht», war die Antwort, ansonsten war nichts über Finanzierungsmodelle zu vernehmen.

Rechts sozusagen Rajans Stammsitz an der Unionsgasse, links sein Korea-Restaurant.

Rajan gehört mittlerweile zu den grössten privaten Immobilienbesitzern weitum. Er kontrolliert etwa an der Centralstrasse Interlaken ganze Häuserzeilen (oben gelb eingefärbt), ist aber auch Hauseigentümer in Unterseen, Ringgenberg, Niederried oder Wilderswil, wo er an der zentralen Lehngasse einige strategisch gut gelegene Parzellen besitzt.

Die Nutzungen sind dabei meist mit Gastgewerbe und Tourismus verbunden: Pachten, Personalwohnungen und immer mehr Ferienwohnungen. Vor allem in Interlaken seien «die Leute nur interessiert an Restaurants», plauderte Rajan vor dem Airbnb-Boom etwas aus der Schule seines Geschäftsmodells. Das entsprechende Interesse wundere ihn selbst, führte er aus, letztlich sei ihm aber die Art der Nutzung egal.

Rajans gepflegter Hauptsitz samt Barbershop an der Rosenstrasse in Interlaken.

Rajans Gewicht gibt zwar in der Region zu reden, und insbesondere die Entwicklung der Centralstrasse hin zu einem exotischen Basar sticht vielen buchstäblich in die Nase. Doch angesichts der starken Internationalisierung des Tourismus und weil auch frühere Generationen von Immigranten in der Schweiz viel Geschäftssinn und Fleiss zeigten, ist Rajans Dominanz kaum ein öffentliches Thema.

Beflaggt zwischen Schloss und Stadthaus Unterseen: auch Rajans.

Ebenso wenig ein Thema ist in hiesigen Kreisen die Krise unserer Institutionen, für die Rajans Imperium sozusagen stellvertretend steht. Zwar wird gerne gewettert über ausländische Gäste und Gastgeber, aber die systemischen Hintergründe dieser Phänomene interessieren kaum. Das verwundert nicht, ist es doch einfacher, sich aufzuregen als sich aufzuraffen und analytisch nachzudenken – zuletzt hat etwa das Schweizer Fernsehen als schrecklicher Vereinfacher einen durchsichtigen Aufreger präsentiert.

Dabei gäbe es allen Grund nachzudenken, was hinter den aufregenden Phänomene steckt. Es gebe in Interlaken immer mehr Eigentümer und Betreiber von Hotels und Restaurants ausländischen Ursprungs, erläuterte mir der Interlakner Gemeindepräsident Urs Graf: «Das hat nicht nur mit reichen Ausländern zu tun, die sich hier Hotels kaufen, sondern auch mit der Bereitschaft, unter prekäreren Bedingungen in der Branche zu arbeiten.»

Regeln: unbekannt, unverstanden, undurchsetzbar

Dies wird laut Graf dann problematisch, «wenn unsere Regeln nicht bekannt sind, nicht verstanden oder nicht akzeptiert und umgesetzt werden – sei dies nun bei allgemeinverbindlichen Landes-Gesamtarbeitsverträgen oder bei verwaltungs- und wettbewerbsrechtlichen Vorgaben.»
Bei der Kontrolle und Umsetzung stosse «die Gemeinde manchmal an ihre Grenzen, was besonders damit zu tun hat, dass viele Kompetenzen bei übergeordneten Ebenen liegen und die Gemeinde wenig Handlungsspielraum hat».

Links die Centralstrasse runter: alles Rajan.

Dass Interlakens Anziehungskraft Spannungsfelder schafft, weiss Graf: «Im Tourismus sind schon immer Welten aufeinandergetroffen», stellt er klar. Insofern seien Konflikte programmiert, doch fühlt sich der Interlakner etwas alleingelassen: Die Phänomene zeigten sich vor Ort, und die übergeordneten Ebenen müssten «ein offeneres Ohr für Anliegen der Gemeinden haben und sie tatkräftig darin unterstützen, unsere Rechtsordnung aufrechtzuerhalten.»

Ersten Kommentar schreiben

Kommentar verfassen