Den Tourischmus bringen

Fred Rubi hat mich damals wohl eingeschüchtert: einer der weltbesten Skifahrer seiner Generation; heruntergekommen aus Wengen, um zu studieren; den Adelbodner Hinterwäldlern den Meister gezeigt und von selbigen nicht nur über Jahrzehnte zum Kurdirektor bestellt, sondern auch als Nationalrat immer wieder glänzend gewählt – und das für die linke SP.
Ich war jung, gewiss weniger tüchtig als Rubi, und ich war unerfahren.

Fred Rubi in den 1980er Jahren in seinem Büro im Verkehrsbüro Adelboden.

Seither sind mir von Bruno Gerber über Kurt H. Illi und Marcel Perren bis zu Richard Kämpf, Arianne Ehrat und Jürg Schmid zahlreiche leitende Tourismusprofis begegnet: drei Generationen werden es angesicht des Durchlauferhitzung wohl gewesen sein, die ich tourismuspublizistisch auf nationaler Ebene begleitete; eingeschüchtert hat mich niemand mehr.

Meine Wenigkeit mit Jürg Schmid, Direktor Schweiz Tourismus, Richard Kämpf, sozusagen Schweizer Tourismusminister, und Marcel Perren, Tourismusdirektor in Luzern.

Ich bin alt, wahrscheinlich tüchtiger geworden mit den Jahren, und ich bin erfahren.

Bringt mir gar nichts: „On va pas te laisser tomber“, sagte mir Dominique de Buman im Restaurant des Berner Schweizerhofs, als ich ihm mitteilte, ich sei freigestellt worden. De Buman ist ebenso in der Versenkung verschwunden wie ich – und er war immerhin Nationalratspräsident.

Dominique de Buman am Parlamentarierfondue von GastroSuisse, wo ich jeweils fotografierte und netzwerkte.

Soll ich nun, da mich diese Branche nach fast drei Jahrzehnten ausspuckte und ich mich mit fast 60 Jahren radikal neu orientieren musste, touristisch die Klappe halten?

Nein, ordnungshalber fahre ich weiter: einen solchen Braindrain kann sich keine Branche leisten.
Freilich fahre ich dort weiter, wo mich Fred Rubi einst hingestellt hatte: kritisch, interessiert, nachdenklich, konstruktiv, kreativ.

Das Geld nicht wert, das sie kassieren

Zwar bin ich mir bewusst, dass sich die Tourismusprofis ob meiner Einlassungen im Regelfall foutieren, im Einzelfall ärgern und jedenfalls meine Anstösse nicht aufnehmen, ja gar nicht aufnehmen können: Systemisch gilt zu sagen, dass die ehrenwerte Gesellschaft der höhergestellten Berufstouristiker das Geld nicht wert ist, das sie kassiert:

  • Sie erfüllen nicht ihre Kernaufgaben, die ihnen etwa die Universität St. Gallen um Beritelli und Laesser ans Herz legt: Statt mithin einerseits den kommerziellen Tourismusprofis dabei zu helfen, ihre Angebote makttauglich zu halten und auf den adäquaten Märkten zu positionieren, und andererseits die Gäste mit all den Kurtaxen tatkräftig zu umsorgen, hegen und pflegen die Cheftouristiker die Capos und schauen, dass eingermassen Ruhe herrscht in der Cupola.

Der sympathische Tourismusdirektor vom Bödeli im matten Zentralorgan vom Bödeli.

Die Tourismusorganisation Interlaken TOI demonstriert das dieser Tage beispielhaft: Sympathisch lächelt der Direktor vom Titel des publizistischen Zentralorgans, und wer umblättert, dem lächelt gleich einer der Capos entgegen, der wiederum in einer wunderbaren Rückkoppelung seinem Direktor und seiner Cupola in höchsten Tönen den Tourischmus bringt.

Es ist zwar blanker Unsinn, was der grauslig-glatte Griwa und seine devoter Dires im Zentralorgan absondern lassen – selbst geschrieben haben sie den Schmus kaum: Mann lässt schreiben, auch ich war einst einer, der wichtigen Leuten salbungsvolle Worte in den Mund legte; Klaus Künzli soll ich damit einst am Bodensee sogar den Kopf als GastroSuisse-Präsi gerettet haben vor Casi Platzer, aber item.

Fremdes Geld zweckentfremden

Und ich sage euch, sie meinen es nicht böse: Mann macht das einfach so.
Neusprech, gute Stimmung, niemand zu nahe treten, nicht zu verbindlich, gerne viele Allgemeinplätze und flotte Phrasen.
Dass Politiker und Unternehmer so daherreden, sei ihnen unbenommen.
Aber die ehrenwerte Gesellschaft der Touristiker gibt Geld aus, das sie nicht selbst verdient, sondern zum einen aus Steuerfranken und ein paar Mitgliederbeiträgen einnimt und zum anderen bei jedem Kurtaxenfranken von Gesetzeswegen an den Gast geben muss.

Zu den Jungfrau- und Schilthornbahnen sowie Kirchhofer hat sich inzwischen Griwaplan unter die TOI-Cupola gesellt: ein frommes Unternehmen, das namentlich mit dem Ausverkauf der Grindelwalder Heimat schwerreich geworden ist.

Pustekuchen: Als ich vor ein paar Jahren arglos nach der Jahresrechnung der Tourismusorganisation fragte, wurde ich vom Hausdrachen kalt geduscht – keine Chance, an die Zahlen zu kommen.

Nun haben wir es hier nicht mit einem Privatunternehmen zu tun, sondern mit einem Konstrukt, das in einem öffentlich-rechtlichen Rahmen operiert, Steuern eintreiben lässt und also sowohl den Gästen wie auch der Bevölkerung volle Rechenschaft schuldig ist. Und ich komme nicht einmal an die Jahrerechnung heran!

Keine Rechenschaft ablegen

Pustekuchen: Manche erinnern noch heute daran, wie ich mich vor Jahrzehnten nach dem Amtsantritt von Stefan Otz erfrechte, an der Hauptversammlung der Tourismusorganisation das Wort zu ergreifen und anzumahnen, für visuelle Arbeiten seien doch bitte lokale Kräfte zu engagieren und die Arbeiten nicht in die Ostschweiz zu vergeben, wo Otz herkam – der Ostschweizer eröffnete in der Folge eine Weile eine Filiale auf dem Bödeli; so geht das.

Stösst sich ausser mir jemand daran, dass die Touristiker praktisch allerorten mafios aufgestellt sind und nicht ihren Job machen, sondern ihre Klientel bedienen: Pustekuchen.
Aber es musste wieder einmal gesagt sein: der guten Ordnung halber.

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