Am Ende: Jungfrau Zeitung

Wie Urs Gossweiler es schaffen konnte, mit der „Jungfrau Zeitung“ das östliche Berner Oberland zu überrollen, mutmasste mir gegenüber vor Jahren Paul Günter: Die Herren der „Berner Zeitung“, sprich Charles von Graffenried und Erwin Reinhardt, hätten den Brienzer Hansdampf Gossweiler alimentiert. Dies um einerseits die etablierten Oberländer Presseerzeugnisse vom „Oberhasler“ und dem „Echo von Grindelwald“ übers „Oberländische Volksblatt“ bis zum „Berner Oberländer“ zu schwächen, und andererseits zu schauen, ob dem Publikum eine reine Regionalzeitung schmecke.

Clinton trifft Mast, wie Mast in der „Jungfrau Zeitung“, eh der „Plattform J“ zeigt.

Es schmeckte nicht wirklich, die Jungfrau Zeitung, die aus dem „Brienzer“ hervorging, rechnete sich nie und nimmer: Eine alte Verlegerweisheit besagt, dass rund die Hälfte des Papiers einer Publikation mit Werbung bedruckt sein muss, damit sich das Druckerzeugnis rechnet. Die Jungfrau Zeitung erreichte diese Quote kaum jemals, Geld verdiente Gossweiler allenfalls mit seinen innovativen Software-Projekten.

Mast macht

In einer sinnigen, mehrfachen Ironie der Geschichte misslang das publizistische Ansinnen: Während zum einen die „Jungfrau Zeitung“ alle paar Jahre weniger grossspurig auftrat und von Brienz über Interlaken nach Thun zügelte, überrollte Annette Weber von Thun her publizistisch das Berner Oberland: dies mit einem Druckerzeugnis à la „Bödeli Info“ oder „Spiez Info“, das praktisch nur aus Werbung besteht, gratis in allen Briefkästen liegt und richtig viel abwirft.
Zum anderen sind bis auf den „Saanen Anzeiger“, der nicht im Fokus der „Jungfrau Zeitung“ gestanden hatte, alle regionalen Titel im Tages-Anzeiger-Konzern untergegangen – und das Sterben der Zeitungen, die einige Jahrhunderte lang Staat gemacht haben, geht weiter.
Und zu schlechter Letzt ist die „Jungfrau Zeitung“ nach Bern herunter gekommen, versucht gerade ihren Namen in „Plattform J“ zu ändern und glänzt nicht mehr mit Hansdampf Urs Gossweiler, sondern mit Dampfplauderer Matthias Mast.

Beckenbauer trifft Mast, wie Mast in der „Jungfrau Zeitung“, eh der „Plattform J“ zeigt.

Meine Erinnerungen an Mast sind unschön, aber farbig: Ich kenne nur sein Konterfei und seine Texte, die mir schon vor einer Generation unangenehm auffielen. Als Freier Journalist hatte ich mir vorgenommen, zum einen nicht für bernische Medien zu arbeiten, und zum anderen keinen Kontakt zu Medienschaffenden zu suchen – beides weil Distanz im Journalismus ein klares Kriterium für Qualität ist.
Zwar sass ich, der um die Jahrhundertwende vorab als Autor der alten Weltwoche einen gewissen Ruf hatte, während einer Personalkrise des Verbandes Bernischer Journalisten eine Zeitlang neben Präsident Roland Jeanneret im Vorstand. Aber abgesehen vom Vorstand habe ich damals niemand kennengelernt, nur wahrgenommen: Mast fiel mir vor allem auf, weil er das Gegenteil von Distanz pflegte. Namentlich beim Berner Gratisblatt Berner Bär suchte er Nähe – Boulevard und Hofberichterstattung halt.

Faraḥ-e Pahlawī, einst Kaiserin Persiens, trifft Mast, wie Mast in der „Jungfrau Zeitung“, eh der „Plattform J“ zeigt.

Dieses Modell scheinen Mast und Gossweiler, so Letzterer denn überhaupt noch etwas zu sagen hat, nun auf die „Jungfrau Zeitung“ übertragen zu wollen.
Obschon Mast ganz offensichtlich Kaiserinnen und Kaiser kennt und sich allpott auf dem Summit wähnt, darf bezweifelt werden, dass die „Plattform J“ auf der Höhe ist und stabil – Neues über die fortschreitende Dekadenz demnächst in diesem Theater.

PS
Ein journalistische Credo war mir das zwar nicht, aber es wäre mir einfach peinlich gewesen, mich mit Promis fotografieren zu lassen: mit Aga Khan oder Peter Ustinov, mit Kofi Annan oder Jane Birkin, mit Bernhard Russi oder Aleksander Kilde, dem ich am Donnerstag sagte, er werde das Rennen gewinnen. Nicht einmal von Ogi, Sommaruga oder Schneider gibt es Fotos mit mir.
Eines kommt mir doch in den Sinn: guckst du… peinlich?!

Ersten Kommentar schreiben

Kommentar verfassen