Yeti und der Regierungsstatthalter

Mutmassliche Korruption im Berner Oberland kommt mir inzwischen ziemlich nahe – und wird sozusagen persönlich. Zum wiederholten Mal betroffen sind zwei alte Kollegen, wenn nicht Freunde: Tinel, der Regierungstatthalter, und Yeti.

Meine erste Erinnerung an Yeti ist verbunden mit einer Brache am Höheweg – dort, wo inzwischen das Hapimag steht. Das war, wohl in den 1990er Jahren, lange Zeit ein Spekulationsobjekt, und Yeti Hutmacher nutzte die Brache als Pop-Up-Restaurant, als es den Begriff hier noch gar nicht gab.
Yeti, als Bergführer und Buschpilot schon damals eine lokale Legende, betrieb aber nicht nur ein Restaurant, sondern holte auch Kulturschaffende herbei: Das Projekt Kran um Eva und Pesche Panero, hervorgegangen aus Karl’s kühner Gassenschau, bleibt mir unvergesslich – es waren schöne Sommerwochen auf der Höhe.

Hansdampf

Ich wusste damals nicht, dass Yeti zu den lokalen Kapitalisten gehört, die einen bedeutenden Teil des Einkommens aus Kapital erzielen und nicht aus Arbeit: Ich lernte ihn als freundlichen, interessierten und engagierten Macher kennen – und so kenne und mag ich ihn noch heute.

Der jüngste Eingriff Yetis.

Als Yeti in die nationalen Schlagzeilen geriet, weil er Brachen im Berggebiet aufmöbelt, um sie als Ferienwohnungen zu vermarkten, war ich nicht wirklich überrascht – auch nicht, dass er dabei Spielräume hinsichtlich Bauverboten ausreizte. Schliesslich hatte er es auch federführend geschafft, mit einer Volksinitiative ein Bauprojekt der Gemeinde Interlaken am Höheweg zu fällen – ein schlagendes Argument war dabei die Erhaltung eines Mammutbaums.

Den Regierungstatthalter seinerseits kenne ich noch länger und weit besser als Yeti: Tinel war am Gymnasium Interlaken in meiner Parallelklasse, wir spielten zusammen Fussball, machten gemeinsam Musik und publizierten im Zuge der GSoA-Initiative ein paar Jahre lang eine alternative Berner Oberländer Zeitschrift: Druck – Forum Oberland.
Eine Erinnerung von damals hat sich mir eingebrannt: Nach einer weiteren frustrierenden Redaktionssitzung sassen wir an der Postgasse Interlaken in der Nische der Pizzeria Mercato, die längst verschwunden ist, und Tinel warf mir vor, ich wolle alle Macht beim Druck an mich reissen. Noch immer muss ich leer schlucken, wenn ich daran denke: wie hoffnungslos dieses Druck-Projekt war, wie ohnmächtig wir waren – und wie hoffnungslos ohnmächtig ich geblieben bin.

Erbsenzähler

Tinel wurde Jurist und Sekretär des Verbandes Schweizer Journalisten,
eröffnete eine Kanzlei in Interlaken und gründete eine Familie. Als Walter
Dietrich von der SVP 2013 beim Statthalteramt aufhörte, bewarb
sich Tinel um den Posten – und wurde in einer sozusagen parteiübergreifenden
Kampagne als SP-Kandidat in der fälligen Volksabstimmung gewählt. Wir verloren
uns nicht aus den Augen, aber brachen das Gespräch in einer ähnlichen Weise ab,
wie mit meinem Ältesten, als der
Gemeinderat in Unterseen wurde: Wer Amtsträger ist, hat aus guten Gründen in
wesentlichen Bereichen zu schweigen, und ich mochte weder meinen Sohn noch
meinen alten Kollegen in die Bredouille bringen. Tinel habe ich als überaus
korrekt und pflichtschuldig kennengelernt. Dass er mithin ohne Not willkürlich
und mutwillig handeln würde, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.
Aber dass er hinsteht und seinen Spielraum so ausreizt, wie es Yeti tut,
glaube ich auch nicht. Warum sollte Tinel in einem demokratischen Rechtsstaat, der mit Blick auf Demokratie und Recht auf tönernen Füssen steht, wie ein Jungspund herumpoltern, unnötig Staub aufwirbeln und sich nicht nur Mehrarbeit aufhalsen, sondern auch Ärger der wirklich Mächtigen?Das Gekläffe von Übervorteilten und von Massenmedien wiederum kann Tinel wie Yeti ja egal sein, selbst wenn es Institutionen sind wie Kassensturz und Rundschau. Es gebe nichts Älteres als die Zeitung von gestern, sagte mir letzthin der CEO des grössten Unternehmes in unserer Gegend. Freilich geht, dem Internet sei Dank, inzwischen nichts mehr vergessen.
Im Bild die Gründer-Crew des Drucks 1991 mit dem Regierungsstatthalter oben
links, dem Künstler Dani Misteli oben rechts und mir unten links.