Unterseen: staatszersetzende Exekutive

Als ich das letzte Mal über Unterseen schrieb, gab das ziemlich zu reden, und ich hatte unter anderem die Ehre, mit den beiden Alphamännchen der Exekutive zusammenzusitzen: Sie erläuterten mir ihre Positionen, erklärten sinngemäss, sie würden ihren Spielraum ausreizen und es dem Souverän überlassen, ob er das goutiere – Standpunkte, die ich durchaus nachvollziehen konnte.

Forsche Regierungsführung belohnt

Das war vor den Erneuerungswahlen für den Gemeinderat Unterseen im Herbst 2020. Und obschon die beiden Herren mit ihrer forschen Regierungsführung immer wieder und in unterschiedlichsten Zusammenhängen für Wirbel und Wut gesorgt hatten, wurden sie vom Souverän recht problemlos bestätigt.

Das war keine Überraschung – die Überraschung der Wahlen war eher, dass der Souverän meinen 29-jährigen Ältesten mit einem Glanzresultat im Gemeinderat Unterseen bestätigte. Er ist im Gegensatz zu mir Mitglied einer politischen Partei, sitzt mithin für die SP im Gemeinderat Unterseen und dort einer behäbigen bürgerlichen Mehrheit gegenüber.

Mein Sohn erzählt freilich kaum von seiner politischen Arbeit, ich dränge ihn auch nicht dazu: Er nimmt seine politische Arbeit und Verantwortung ernst, und das schliesst unter anderem ein, mit grosser Selbstverständlichkeit Angelegenheiten für sich zu behalten und sich als Mitglied einer Kollegialbehörde zu verstehen.

Ernsthaftigkeit lächerlich machen

Insofern habe ich die aktuellen Verwerfungen, auf welche ich gleich zu sprechen komme, natürlich nicht von ihm, sondern von dritter Seite: einerseits Gespräche und Gerüchte in ähnlicher Gestalt, wie sie mir in einer Art Rückkoppelung aus den innersten Kreisen der Unterseener Macht zu Ohren kommen.
Das dümmste Geschwätz, das ich gehört habe, geht dahin, wir verfolgten mit einem Mehrgenerationenprojekt partikulare Interessen, das unverschämteste Geschwätz wiederum desavouiert die politische Ernsthaftigkeit meiner Familie.

Andererseits liegen zu den aktuellen Unverschämtheiten der Unterseener Exekutive aber auch Unterlagen aus erster Hand vor, so etwa ein Youtube-Video, in dem sich der operativ führende Gemeinderat wortreich äussert. Aus meiner Warte verdeutlicht und unterstreicht dieser Auftritt Phänomene, die ich bereits andernorts beschrieben habe: namentlich das Prinzip vom Doppeldenk und die These, dass unser politisches System eine Oligarchie ist.

Selbstverständliche Unverschämtheiten

Insofern mag ich hier auch gar nicht auf Materielles eingehen, zumal mir die inkriminierten Herren der Exekutive ihre Positionen ja plausibilisiert haben. Und was Führern gelenkter Demokratien recht ist, darf unseren demokratisch gewählten Exekutiven gewiss billig sein – ob nun nicht genehme Behördenmitglieder schamlos übervorteilt werden oder zielsicher im freihändigen Bereich budgetiert und auf eigene Mühlen gelenkt wird.

Also werde ich nicht weiter der Frage nachgehen, warum einerseits die Gemeindeversammlung einen Nachkredit genehmigte, der den ursprünglichen Kredit um volle 70 Prozent sprengt, wobei nicht nur Spezis à l’Autrichienne ihre Hände im Spiel haben, sondern auch der Gemeinderat selbst mit unternehmerischen Interessen. Andererseits mag ich auch nicht gross danach fragen, warum der Unterseener Führer in obigen Zusammenhängen öffentlich den Regierungstatthalter attackiert, Einsprecher als wortbrüchig denunziert und nicht zuletzt einen bestandenen Gewerbler für eine Arbeit massiv anschwärzt, die er nach Lage der Dinge auftragsgemäss erledigt hat und für die er von Unterseen offenbar auch schriftlich belobigt wurde.

Staatszersetzende Oligarchen auf dem Dorf

Ich fasse nur zusammen, dass die Ernsthaftigkeit, der ich bei meinem Ältesten begegne und die mir in der politischen Geschichte der Schweiz so viel Eindruck gemacht hat, in Unterseen derzeit so wenig Raum zu haben scheint wie vielerorts in der global herrschenden Oligarchie.

Mag sein, dass manch Verantwortliche hier in Unterseen nicht wissen, wovon ich spreche, weil ihnen das politische Rüstzeug fehlt, auf das sich die Schweizerische Eidgenossenschaft wieder und wieder beruft – und das eine Demokratie ebenso braucht wie Ernsthaftigkeit gegenüber staatlichen Institutionen.

Wenn die Herren aber nicht wissen, wovon ich spreche, sind sie für ihre Ämter nicht geeignet. Und wenn sie es wissen, sind sie es erst recht nicht, auch wenn ihnen der Souverän an der Urne oder einer Gemeindeversammlung Decharge erteilt.
Denn wenn sie wissen, was sie tun, destabilisieren sie die Fundamente des demokratischen Systems, namentlich Rechtsstaatlichkeit und Gewaltentrennung, und sind damit schlicht staatszersetzend.
Dass sie ebendieses mir und meinesgleichen vorwerfen, ist zwar von beelendender Ironie, spricht jedoch samt den Phänomenen, für welche die Herren verantwortlich zeichnen, epistemologisch für sich.
Ich habe fertig und keine Hoffnung noch Erwartung.

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