PH: Swisscom doziert und wirbt zu Gamen und Mobben

Ich habe jahrelang gezögert, journalistisch tätig zu werden: Der Respekt vor diesem Metier war gross – was für eine Verantwortung! Eine entsprechende Bemerkung, die ich bei Bakunin gelesen hatte, blieb haften (im Gegensatz zum Anarchistischen, von dem ich wenig halte, weil ich umfassender Selbstverantwortung so wenig gewachsen bin wie andere Menschen und darum auch Staatlichkeit brauche, aber item).

Den in Bern gestorbenen Bakunin hatte ich gelesen, bevor ich mich an den Journalismus wagte. Aber vertieft hatte ich mich namentlich auch in McLuhan und Gebser, meine wichtigsten intellektuellen Anregungen hinsichtlich Medien und Kommunikation: Beide musste ich lange studieren, bis ich sie so weit verstand, dass ich sagen konnte, hier sei ich nicht einverstanden und dort nicht – bei Baruch Spinoza bin ich noch nicht soweit, da studiere ich noch.  

Als ich 26 Jahre alt war, fasste ich mir 1988 schliesslich ein Herz und schickte einen Artikel über den Kampf Adelbodens um eine neue Bergbahn an die alte Weltwoche, damals für mich das beste Blatt im Land. Die zuständige Redaktorin Margrit Sprecher war begeistert und gab mir fortan bis zu ihrer Pensionierung immer Aufträge. Den ersten Artikel allerdings druckte sie unter dem Pseudonym Markus Villiger: Wir fürchteten, dass ich und meine Adelbodner Familie persönliche Nachteile erleiden könnten, wenn der Artikel unter meinem Klarnamen erschiene – was in einem späteren Fall dramatisch geschah, doch zu diesem Cliffhanger später mehr an anderer Stelle.

Verantwortungslose PH

Hier soll es um die PH gehen und ihre Verantwortung gegenüber den Medien: Das Fach wird gelehrt, und ich muss es belegen, obwohl ich jeweils 15 Jahre als Freier Journalist und als Redaktor auf dem Buckel sowie Medienwissenschaft an der Uni Bern einst als einziges (Neben)Fach abgeschlossen habe. Die entsprechenden Nachweise seien zu alt, liessen mich die PH-Verantwortlichen hier wissen, während sie dort uralte Testate aus der Neuen deutschen Literatur anstandslos anrechneten – „die PH Bern profiliert sich in allen Fachdidaktiken durch Interdisziplinarität“, heisst es in der aktuellen PH-Strategie.

Das Fach Medien zu belegen, fiel mir freilich nicht schwer: Ich hoffte einerseits, zeitgemässe digitale Instrumente kennenzulernen zur Unterstützung der Schulen, und andererseits erwartete ich angesichts der Tragweite der Medien eine ernsthafte Auseinandersetzung von gewisser medienwissenschaftlicher Flughöhe und Tiefgründigkeit.

Dilettanten in einem Kerngeschäft

Stutzig wurde ich schon in den ersten Minuten der ersten Vorlesung: Eine ganze Reihe von Medien und Links funktionierte nicht, doch die Dozierenden hatten das weder inszeniert noch gingen sie auf struktureller Ebene darauf ein, wie es sich ideal angeboten hätte; vielmehr brachten sie ihre Maschinen leidlich zum Laufen – kommentarlos und allenfalls peinlich berührt.

Dass die erste Vorlesung samt den Übungsanlagen in der Folge nicht einmal einer Volkshochschule gut angestanden hätte, war dann eher ärgerlich als peinlich. Und nachdem ich inzwischen weitere Vorlesungen per Podcast studiert und Fragen dazu beantwortet habe, ist genug Heu unten:
Es brauche hinsichtlich Kommunikation „drei Gefässe“, hiess es in der zweiten Vorlesung, „vor allem, wenn die Kommunikation mediert ist“. Einmal abgesehen davon, dass es das Verb medieren nicht gibt, ist die Aussage blanker Unsinn: Kommunikation gibt es ohne Medien so wenig wie Menschen ohne Stoffwechsel (der ebenso rätselhafte wie sinnige Sonderfall, dass Medium und Botschaft zusammenfallen, ist übrigens das Licht, für Interessierte nachzulesen beim grandiosen McLuhan).

Nun sind wir an der PH nicht in einer schlechten Volkshochschule, und es geht im Fach Medien auch nicht um Nebensächlichkeiten: Für eine PH und für die Lehrkräfte, die sie ausbildet, ist ein tiefes Verständnis für Medien und ihr Wirken zentral – Punkt.

Jahrelang hatte ich medienwissenschaftliche Fragen gewälzt, bevor ich journalistisch zu schreiben wagte – und die PH lässt man derart pfuschen?

Das geht einfach nicht an, zumal es von der einschlägigen Rezeptionsfähigkeit der Studierenden und der SuS über die aktuelle, epochale Atomisierung der Kommunikationskanäle bis hin zur Kommerzialisierung im Medienbereich wahrlich genügend gute Argumente und Anhaltspunkte gibt für guten Unterricht.

Demagogen im Kerngeschäft

Nach solchen Tiefschlägen hatte ich nicht erwartet, dass es noch schlimmer kommen könnte. Aber es kam schlimmer in der letzten Vorlesung, die ich heute Morgen verfolgte und die mich zum Aufschreiben und Aufschreien getrieben hat:
Zu Fragen von Computerspielen, Cybermobbing ist nämlich allen Ernstes ein Mitarbeiter der Swisscom mit Bildungsunterlagen der Swisscom und unverschämter Werbung in eigener Sache aufgetreten.

Das ist mit Verlaub eine bildungspolitische Bankrotterklärung und ein ordnungspolitischer Skandal von weit beunruhigender Dimension als etwa der massive, teilweise strategische Auftritt frommer Kräfte an der PH Bern – schliesslich sage ich als Adelbodner, dass diese Kräfte fromm sind, was von der Swisscom gewiss nicht zu behaupten ist.

Swisscom wirbt und indoktriniert unbedarft und unverfroren.

Ich fürchte zwar, dass der eben verstorbene Francis Steiner recht hat mit seiner These, wonach die aktuelle Medienlandschaft alles zur Tagesaktualität verflacht – übrigens ein wichtiges Thema für eine PH, wenn mann denn die Aufgabe und die Studierenden für voll nähme.

Aber ich kann nicht umhin, hier in aller Öffentlichkeit und zugleich völlig unerkannt Skandal zu schreien: Wenn die Swisscom so an der PH doziert, wird geradezu beispielhaft der Bock zum Gärtner gemacht – geschenkt, dass die Swisscom überdies von ausländischen Paramilitärs kontrolliert wird, wie SRF kürzlich eindrücklich dargelegte.

Chrige, da muesch gugge!

1 Kommentar

  1. Die Arroganz der Swisscom hat mich in letzter Zeit auch sehr irritiert – von sich und ihrer ‚Strategie‘ blind eingenommen. Wie sonst wäre es möglich, voll auf 5G zu setzen, im Wissen, dass die Gesundheitsrisiken immens sein könnten. Offenbar gehen sie davon aus, dass sie genug Einfluss haben, nicht nur das Parlament, sondern die ganze Schweizer Bevölkerung für dumm zu verkaufen. Oder haben sie nur ein schlechtes Management, das die Risiken schlecht einschätzt .. Dumm eben … Oder gescheit und berechnend im Wissen darum, dass Dummheit lernbar (und dozierbar) ist? …

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