Hirschen Gunten und Ebligen: einfach enteignen

Schon als kleines Kind in Adelboden sind mir diese gastgewerblichen Ruinen aufgefallen: der Lohnerhof mitten im Dorf, die Alpenruh, das Edelweiss, die Regina, später das Alpenrösli – und nach wie vor die Schönegg.
Als ich erwachsen war und journalistisch arbeitete, fielen mir die zerfallenden Häuser überall im Alpenbogen ins Auge: Von Maloja bis Zermatt schien es diese Bauruinen in allen Tourismusorten zu geben. Gehört das einfach dazu?

Antworten auf diese Frage suche ich mit besonderem Blick auf zwei besondere Bijous: den Hirschen in Gunten am Thunersee und den Hirschen in Ebligen am Brienzersee. Bei Häuser haben eine herausragende Lage und eine besondere gastgewerbliche und lokale Geschichte, und beide Häuser rotten seit Jahren jämmerlich vor sich hin.

Gemeinden können enteignen

Auf meine Fragen finde ich erstaunliche Antworten: So können die Gemeinden laut Baugesetz des Kantons Bern radikal gegen Unliebsamkeiten vorgehen, «die von unvollendeten, mangelhaft unterhaltenen oder sonstwie ordnungswidrigen Bauten und Anlagen ausgehen». Und «wenn es zur Erfüllung von Bedürfnissen des allgemeinen Wohles notwendig ist», können die Kommunen gemäss kantonalem Enteignungsrecht den fehlbaren Eigentümern ihre Liegenschaften auch wegnehmen.

Mit anderen Worten gibt es eindeutige gesetzliche Grundlagen, die es Gemeinden ermöglichen, schlampigen Eigentümern aufzusitzen und ihnen Liegenschaften sogar wegzunehmen, wenn das im öffentlichen Interesse ist.

Gemeinden enteignen kaum

Womit sich die Frage aufdrängt, warum das selbst bei so herausragenden Objekten wie den Hirschen in Gunten und in Ebligen nicht geschieht: «Weil es einerseits meist um sehr viel Geld geht, und weil andererseits die Eigentümer meist sehr viele Mittel in der Hand haben», antwortet ein einschlägig bewanderter Fachmann. Und ein anderer sagt, dass zum einen den Gemeinden im Baugesetz namentlich die Artikel 45 und 128 gute Handlungsmöglichkeiten eröffneten, dass aber andererseits seines Wissens der oben erwähnte Artikel 2 im Enteignungsrecht noch nie angewendet worden sei – da werde lieber auf Überbauungsordnungen zugegriffen, die das Enteignungsrecht überflüssig machten.

Gunten: Überbauungsordnung starten

Eine solche Überbauungsordnung ist im Hirschen Gunten geplant, wie ich vor gut einem Jahr hier geschrieben habe. Es werde wohl noch heuer eine Orientierungsversammlung dazu geben, heisst es bei der Gemeinde jetzt, mit der Überbauungsordnung sei entweder noch in diesem Jahr, spätestens jedoch 2022 zu rechnen – das wären dann 15 Jahre, nachdem die jetzigen Eigentümer die Liegenschaft 2007 gekauft und fortan leere Versprechen aneinandergereiht haben.

Dass die Gemeinde Sigriswil den Eigentümern im Hirschen Gunten abjagen will, ist freilich nicht zu erkennen: Obwohl das Haus in einer Hotelzone steht und im jetzigen Zustand gewiss alle Kriterien für eine Enteignung erfüllt, sieht die künftige Nutzung weder eine Hotelnutzung noch eine besondere gastgewerbliche Ausrichtung vor: Wohnungen soll es geben – und vielleicht ein Bistro.

Festgehalten sei an dieser Stelle jedoch, dass es die Bevölkerung von Sigriswil selbst in der Hand hat zu entschieden, was mit dem Hirschen geschieht – in Habkern etwa hat die Gemeinde den Bären gekauft und in hiesige betriebliche Hände gegeben.

Ebligen: Konkurs erstreiten

Im Hirschen Ebligen wiederum sieht es nicht nur baulich noch trostloser aus: Hier haben die jetzigen Eigentümer versucht, in Konkurs zu gehen – und gingen für ihren eigenen Zusammenbruch bis vors kantonale Obergericht. Indes hat das Gericht den Konkurs abgelehnt, «infolgedessen besteht die Gesellschaft entsprechend den früheren Eintragungen weiter», heisst es lapidar im Handelsregister.

Zurzeit liege das Dossier beim Statthalteramt, heisst es dazu bei der Gemeinde, von Überbauungsordnungen oder anderen Wegweisern zur Enteignung war offenbar noch nicht die Rede.

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