BKW und Co: nächster Privatisierungsschub

In der Neuen Zürcher Zeitung lese ich vom „Königsweg der Privatisierung“: Die Bernischen Kraftwerke BKW sollten diesen Weg beschreiten, raten die Zürcher den Bernern, „die BKW braucht den Staat nicht mehr“. Anlass der Zürcher Zeilen ist der aktuelle Vorschlag der bernischen Kantonsregierung, ihre Mehrheit an den BKW zu verkaufen – viel hat mann darüber hierzuberge noch nicht gehört, schlafende Hunde halt.

Die NZZ befürwortet den Verkauf, der Kanton werde damit mutmasslich „viel Mehrwert realisieren“. Zu entscheiden hat vorderhand das bernische Kantonsparlament. Es wird den üblichen Linien entlang argumentieren: hier die Rechte, die mit der NZZ den Verkauf befürwortet und sich damit bereits in der Regierung durchgesetzt hat, dort die Linke, die sich wehrt und vor dem Verkauf des Familiensilbers warnt – und dazwischen ein paar versprengte staatstragende Bürgerliche und grünliberale Deregulierer.

Natürliche Monopole machen Staat

Ich möchte ganz grundsätzlich bleiben und mich an Erkenntnisse der Volkswirtschaftslehre und der Geschichte halten. Die Volkswirtschaftslehre spricht im Zusammenhang von Unternehmen wie den BKW von natürlichen Monopolen. Dabei handelt es sich um Bereiche, in denen Wettbewerb marktwidrig ist: So hat es keinen Sinn, in einer Region mit einer gewissen Anzahl Kinder und Kranker zahllose Schulen oder Spitäler in einem Wettbewerb zu haben. Ebenfalls wirtschaftlich unsinnig ist es, zwischen bestimmten Orten viele konkurrierende Bahngeleise, Strassen oder eben Stromlinien zu unterhalten.

Ursachen natürlicher Monopole sind also eigentlich einfach zu verstehen, und Unternehmen fällt es denn auch gar nicht ein, dort aus freien Stücken einen Wettbewerb aufzuziehen. Was nicht heisst, dass Unternehmer in diesen Feldern untätig bleiben, ganz im Gegenteil: Wenn die Gesellschaft nämlich natürliche Monopole öffnet, kann das sehr lukrativ sein – ein Klassiker, bei dem nicht selten jene, die über den Staat herziehen, diesen über den Tisch ziehen.

Während nun aber Schulen und Spitäler volkswirtschaftliche Kosten sind, die im Falle der Spitäler erst in unserer Generation betriebswirtschaftlich getarnt und pervertiert wurden, haben wir es bei Stromversorgern wie den BKW und Kommunikationsanbietern wie der Swisscom grundsätzlich mit volkswirtschaftlich produktiven Bereichen natürlicher Monopole zu tun. Entsprechend gibt es hier einen ebenso heftigen wie schrägen Wettbewerb, zusätzlich verzerrt durch sicherheitspolitische Interessen etwa hinsichtlich stabiler Systeme oder militärischer Zugriffe.

Natürliche Monopole locken Abzocker

Kommunikation, Energie und Transport, später auch Bildung und Gesundheit sind Bereiche, in denen es Staatlichkeit einfach braucht – und in denen der Staat einerseits aus machtpolitischen Gründen Kontrolle anstrebt, andererseits aber auch nach Kräften abgezockt wird, wenn Kontrollen und Ausgleich fehlen.

Als im 18. Jahrhundert die Transporteure zwischen Boltigen und Zweisimmen nach einer besseren Strasse riefen, weil sie kostenintensiv immer zusätzlich anspannen mussten, wollten und konnten die damals zuständigen Gemeinden den Ausbau der Strasse nicht stemmen. Deshalb kam Druck auf den Kanton, und die Resultate bei diesem natürlichen Monopol waren erst Kantons- und später Nationalstrassen – ein wunderbar weites Feld für Abzocke und Korruption.

Zum Ende des 19. Jahrhunderts musste der Staat dann den fiebrigen Unternehmern in Sachen Eisenbahn und Energie beistehen. Für ihre märchenhaften Gewinne aus Industrialisierung und Kolonialismus suchten sie Anlagen und liessen weitgehend durch italienische Arbeiter nicht nur Geleise und Generatoren bauen, sondern auch all die Luxushotels und Bergbahnen der Belle Epoque.

Der Staat als Helfer und Hehler

Weil sich die arbeitende Bevölkerung aber um 1900 weder Strom noch Eisenbahnfahrten leisten konnte, gingen die entsprechenden Unternehmen reihenweise Konkurs. Schweren Herzens verstaatlichten die Politiker, doch als der Bund in der Folge die Bahnen elektrifizierte, schuf er Grundlagen für nachhaltiges Wirtschaften beider Bereiche – das wird noch heute als beispielhafte staatliche Allokation behandelt, obwohl die Politik ihren beispielhaft weitsichtigen Entscheid damals keineswegs strategisch und vorausschauend fällte, sondern taktisch und tagesaktuell.

Als natürliche Monopole sind und bleiben Stromkonzerne oder Kommunikationsunternehmen hochrentabel, wenn sie von der strategisch verantwortlichen Politik nicht nach dem Interesse der Bevölkerung ausgerichtet werden: halt Kontrollen und Ausgleich vulgo Checks and Balances. Von Hallenbädern und Eisbahnen bis zu Eisenbahnen und Waffenschmieden werden sie immer gefordert und politisch beschworen, aber systematisch unterlaufen, weil einfach zu viel leichtverdientes Geld im Spiel ist. Und selbst bei Postautos oder Paketen, wo nur hochfrequente Bereiche viel abwerfen, herrscht ständig Streit: um ausgedünnte Angebote und dicke Pfründen, um Quersubventionierungen und Leistungsaufträge – der Service Public.

Narren und Idioten und ihre Bosse

Das Wesen natürlicher Monopole zu kennen, scheint mir jedenfalls unverzichtbar, um strategische Entscheide wie eine weitgehende Privatisierung der BKW zu fällen. Aber obschon die entsprechenden Gesetzmässigkeiten einfach zu verstehen sind, ist das entsprechende Wissen nicht weit verbreitet.
Das hat System: In der Politik und den Massenmedien wimmelt es von Narren, die nicht wissen, was sie tun – und häufig von Idioten geführt werden, die oft genau wissen, dass sie nicht das tun, was im allgemeinen Interesse ist.
Das ist niemandem anzukreiden: Wer wirklich etwas zu sagen hat, sorgt nämlich seit jeher dafür, dass einerseits die besten Leute mit allen Mitteln PR machen, und dass andererseits all die gernegrossen Chefs in Abhängigkeiten stecken und womöglich erpressbar sind – ein ganz alter machtpolitischer Hut.

Was heisst das alles nun hinsichtlich BKW?
Dass ich zu erklären versucht habe, aus welchen Gründen ich dagegen bin – aber systemisch auf verlorenem Posten stehe.

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