Radio BeO – eine lange Leitung

Die Menschen übers Radio anzusprechen, ist hochpolitisch – das wurde spätestens mit den schrillen deutschen Reden in den 1930er Jahren und ihren schrecklichen Folgen klar.
Insofern verwundert weder die lauthalsige Stromlinienförmigkeit des Radios noch die Stille hinsichtlich ebendieser politischen Bedeutung – und zwar nicht nur im Berner Oberland.

Aber ob es hilfreich ist, ausgerechnet über das Radio als Medium zu schweigen?

Im Berner Oberland war es Paul Günter, der in den 1980er Jahren die Fäden dessen zusammenschnürte, was zu Radio BeO wurde.
Günter schaffte es 1972 mithilfe von Migros‘ Landesring der Unabhängigen (LdU) in den Nationalrat. 1991, er war als Chefarzt inzwischen längst im Berner Oberland, wurde er nicht wiedergewählt, wechselte aber flugs die Partei und sass 1995 bis 2007 für die SP in der Grossen Kammer.

Günter war in Bundesbern unter anderem Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission (SiK). Hier werden mit ganz grossen Spielzeugen die ganz gefährlichen Spiele gespielt, und Radio ist dabei von strategisch hochstehender Bedeutung.
Als Paul Günter in den 1980er Jahren den Aufbau eines Lokalradios an die Hand nahm und 1986 die Konzession erhielt, war davon allerdings nur hinter geschlossenen Mikrofonen die Rede. Die Leute müssen solche Zusammenhänge ja nicht kennen, sondern sind auch mit launigeren Geschichten ganz zufrieden.

Etwas mehr zu reden gab zumindest im engeren Oberland das Netzwerk, das Günter damals half, die Fäden fürs neue Lokalradio zu spinnen: der Gitarrenlehrer Martin Mürner und der Politaktivist Thomas Morgenthaler – vor allem Morgenthaler galt als mindestens ebenso unsicherer Kantonist wie beispielsweise ich.
Doch Günter schaffte es, ein korporatistisches Mobile zusammenzusetzen und ein Formatradio zu basteln, in dem sich die Berner Oberländer Einheitspartei SVP ebenso getragen sah wie die militär- und bahngewerkschaftliche Linke, die Geschäftemacher im Tourismus und bei Kraftwerken sowie die Subventionsverwalter der Bauernbürokratie – bei den Bauern selbst reicht es, wenn sie morgens und abends im Stall die richtige Musik hören.

Was das alles mit heute zu tun hat? Es ist immer noch so wie damals, und seit Thomas Morgenthaler 2016 unerwartet verstorben ist, hat die rückwärtsgewandte Erstarrung gar noch zugenommen.
Zwar sitzt nicht mehr Paul Günter im Verwaltungsrat der Radio Berner Oberland AG, sondern sein Sohn Matthias Günter, zwar ist da nicht mehr der militante Frutiger Gewerbler Hans-Ueli Kallen, aber der diesbezüglich ebenfalls beschlagene Jürg Kirchhofer.
Und da ist nicht zuletzt Martin Mürner als Doyen und Faktotum samt einer angejahrten Entourage, die wahlweise willfährig ist oder sich halt arrangiert hat, und einer rasend rotierenden Belegschaft.

Zum Schluss noch dies: Eigentlich kann das alles egal sein, denn ändern wird sich schon aus strategischen Gründen wenig.
Aber es kann wichtig sein zu wissen, dass insbesondere Thomas Morgenthaler vor seinem plötzlichen Tod Pflöcke eingeschlagen hatte, um Radio BeO ins 21. Jahrhundert zu führen.
Die schwerwiegenden Abgänge seither, die sowohl die Technik wie auch die Redaktion betreffen, stehen mit diesen Pflöcken im Zusammenhang – und damit, dass die halbheiligen Untoten diese Pflöcke radikal umhauten.

Auch das mag egal sein mit Blick aufs Radioprogramm, das fast so seicht daherkommt wie überall. Aber wenn die Mitarbeitenden krank werden, wenn die Technik zu versagen droht und wenn die Verantwortlichen so tun, als stünde alles zum Besten, dann muss einfach einmal aus diesem Radio berichtet werden.

PS
Ein Kränzlein winden, ein ganz persönliches, möchte ich Martin Mürner aber doch: Wenn er die Musik bei diesem Formatradio BeO programmiert, dann gefällt mir das immer ausnehmend gut. Das ist allerdings ein ästhetisches Kriterium: Über Geschmack lässt sich so wenig streiten wie über Haltungen. Und da dürfte letztlich ein schwerwiegender Hund der oben beschriebenen systemischen Blockaden begraben sein – einer, den niemand ausgraben mag, weil es bei Massenmedien auch und gerade um Haltungen geht.

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