Mikrosteuer: Nagelprobe für Gewerbe und Industrie

Dieser Tage läuft eine Volksinitiative an, die eine radikale Vereinfachung des Steuersystems vorsieht: «Der Bund erhebt auf jeder Belastung und jeder Gutschrift des bargeldlosen Zahlungsverkehrs eine Mikrosteuer mit einem einheitlichen Steuersatz», soll demnach in der Schweizerischen Bundesverfassung stehen, «die Mikrosteuer ersetzt die Mehrwertsteuer, die direkte Bundessteuer und die Stempelsteuer».

Von einem entsprechenden Steuersystem träumten Ökonomen und Politiker zwar seit den Tagen von Adam Smith: Die Besteuerung des reinen Geldflusses ist sozusagen die reine Lehre – ein einfacher, klarer und sauberer Steueransatz mit entsprechend wenig Nebenwirkungen oder Einflussmöglichkeiten politischer oder wirtschaftlicher Art.

Allerdings war ein solches Steuersystem schon aus praktischen Gründen bis vor wenigen Jahren undenkbar: Wie sollte der Handwechsel von Bargeld besteuert werden? Erst seit Zahlungen bargeldlos erfolgen, ist das überhaupt möglich!

Der Steuerwahn hat Methode und Tradition

In den wenigen Weltgegenden, wo überhaupt von Staatlichkeit die Rede sein kann, haben die Steuervögte freilich über Jahrhunderte ein weitverzweites und tiefgreifendes Steuerregime aufgebaut. Und dieses Regime ist so stabil und selbstverständlich, dass die Staatenorganisation OECD zurzeit lieber eine abgedrehte Weiterentwicklung breit zerredet, anstatt zeitgemässe Ansätze wie die Mikrosteuer zu diskutieren.

Ein anderes Beispiel für den herrschenden Steuerwahn ist die Mehrwertsteuer, die genau damals kam, als elektronische Zahlungen den Bargeldverkehr abzulösen begannen: Indem jeder Bäcker und jede Wirtin Mehrwertsteuern einkassieren und abliefern mussten, wurden die Gewerbler sogar zu Steuervögten – eine ordnungspolitische Frechheit.

Ganz zu schweigen vom bürokratischer Wahnsinn – und zwar nicht nur wegen des gigantischen Aufwands, sondern auch wegen der zahllosen Unklarheiten und Verzerrungen, die Heere von Fachleuten beschäftigen – ein schreiendes Beispiel für Leerlaufjobs.

Den Irrsinn des Steuersystems verdeutlicht beispielhaft das Gastgewerbe: Wer nämlich in einem Restaurant etwas bestellt und mitnimmt, muss weniger Mehrwertsteuer bezahlen als wer gleich konsumiert – darum wird an der Kasse beim Schnellimbiss auch immer gefragt: «Zum Mitnehmen oder zum hier essen?».

Otto Stich war auch nicht wirklich zufrieden

Diese Unterscheidung schafft nicht nur einen bürokratischen Leerlauf, sondern ist auch eine politische Dummheit: Der höhere Steuersatz für lokale Konsumation bestraft nämlich arbeitsintensivere Betriebe mit Service und belohnt Schnellimbisse mit wenig Arbeitsplätzen. Otto Stich selig, der als Schweizer Finanzminister die Einführung dieser Steuer in der Schweiz begleitet, sagte mir denn auch vor Jahren, diese Steuer sei gewiss nicht das Gelbe vom Ei – aber halt praktisch.

Kleines Beispiel: Wer sich hinsetzt und isst, bezahlt mehr Mehrwertsteuer.

Ernüchterung breit machte sich auch im Schweizer Gastgewerbe. Die Branche formierte sich erstmals in ihrer Geschichte politisch und brachte in kürzester Zeit eine Volksinitiative zur Abstimmung. Die Forderung lautete schlicht, die gastgewerblichen Steuersätze anzugleichen, doch das Anliegen hatte an der Urne keine Chance – ein Fanal für die Mikrosteuer: Auch hier wird ein gewaltiges Trommelfeuer für Verwirrung sorgen.

Der bürokratische und der politische Irrsinn des aktuellen Steuersystems und die Einfachheit und Klarheit der neuen Mikrosteuer müssten zwar die Schweizer KMU zu grossen Anhängern der Volksinitiative machen. Zu erwarten steht jedoch das Gegenteil: Die gewerblichen Organisationen und Verbände werden sich wohl wider besseres Wissen gegen die Volksinitiative stellen.

Stunde der Wahrheit für gewerbliche Organisationen

Im Windschatten von Profiteuren des aktuellen Wahnsinns dürften die KMU ungefragt in politische Geiselhaft genommen und missbraucht werden. Das Banken- und Finanzwesen, der Steuerapparat samt der ganzen Treuhandbranche und nicht zuletzt die mehr und minder kriminellen Nutzniesser von Bargeldtransaktionen werden sich zu wehren wissen: Die Freiheit dürfte zuvorderst als gefährdet bezeichnet werden, von der Unmöglichkeit der Umsetzung wird wohl auch prominent die Rede sein und natürlich von Umgehungsmöglichkeiten.

Zwar kann ein solch radikaler Umbau des Steuersystems natürlich nicht ohne Risiken sein. Doch die theoretische und praktische Klarheit des Ansatzes ist bestechend, und der Wirtschaft wie auch der der Bevölkerung bieten sich Chancen, die in keinem Verhältnis stehen zu den Risiken – und international wäre der Ansatz technisch ebenfalls ohne weiteres umzusetzen.

Mithin ist die Mikrosteuer auch kein Hirngespinst von Aussenseitern, sondern wächst aus dem Kern der Finanzbranche: Experten am Zürcher Paradeplatz erwägen das Modell, und einer der Konstrukteure der Volksinitiative ist Marc Chesney, Leiter des Schweizerischen Bankeninstitutes in Zürich.

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