Hinsetzen

Ich bin bald 58 Jahre alt, ausserordentlich stürmische Wintertage liegen hinter uns, und ich mache mich von Interlaken auf nach Bern an die Pädagogische Hochschule.
Vor genau einem Jahr hat mich der recht frischgebackene Direktor von GastroSuisse entlassen und freigestellt: In den 1990er Jahren hatte ich als Freier Journalist fürs Verbandsblatt zu arbeiten begonnen, ab 2003 war ich dort in Teilzeit als Redaktor angestellt, in den letzten Jahren umfasste meine Verantwortung auch den Inhalt des 100 Jahre alten Blattes.

30 Jahre Berufserfahrung entsorgt

Die Arbeitslosenversicherung, in die ich seit den 1980er Jahren Beiträge einbezahlt habe, trägt mich voraussichtlich bis Mai 2021; nur noch einer meiner beiden Söhne kostet, der andere ist Lehrer und Radioredaktor, meine Frau und Geliebte betreibt gemeinsam mit einer Handvoll Gspänli erfolgreich Physiotherapie – die Entlassung trifft mich insofern noch nicht existenziell.
Nach meiner Freistellung habe ich mich zu bewerben begonnen; bald 100 Dossiers dürften rausgegangen sein, meist ging es um Kommunikation, ein paar Stellen betrafen Massenmedien, viele hatten mit der Bundesverwaltung oder PR zu tun zu tun: Nicht einmal ein Mal habe ich es bis zu einem Bewerbungsgespräch geschafft.
Ich bin darüber weniger frustriert als überrascht: Mein Rucksack ist in kommunikativen Dingen vollgepackt, mein Erfahrungsschatz reicht Jahrzehnte zurück, desgleichen meine Kontakte namentlich in Gastgewerbe, Tourismus und Bundespolitik.
Überdies bin ich als Power-User, der in den 1980er Jahren einen MacPlus samt Pagemaker und Nadeldrucker hatte und bis hin zu Social Media und WordPress immer drangeblieben ist, ähnlich gut qualifiziert wie im Sprachlichen des Deutschen sowie im Theoretischen der Kommunikation (McLuhan, dem ich im Nebenfach Medienwissenschaften an der Uni Bern vor rund 35 Jahren zum ersten Mal begegnete, habe ich so lange durchgeackert, bis ich ihm hier und dort entschieden widersprechen konnte).

Nach 30 Jahren zurück an die Uni

Nun gehe ich wieder nach Bern an die Hochschule: Weil mich in meinem angestammten Berufsfeld offenbar niemand mehr will, beackere ich ein anderes Feld, das mir naheliegt: Lehrer. Nicht nur mein älterer Sohn ist es; mein Grossvater war es, mein Vater auch, meine vier Geschwister sind es ebenfalls allesamt, nicht zu vergessen meine sämtlichen Onkel vater- und mütterlicherseits.
Ich bin nichts, 1988 ging ich von der Uni Bern ab, nachdem die alte Weltwoche und andere Blätter meine journalistischen Arbeiten zu drucken begannen: Ich wurde Freier Journalist und blieb es 15 Jahre lang – immer vom Berner Oberland aus, aber bewusst nie für Blätter im Bernbiet.
Nun sitze ich im Zug, fahre nach Bern und werde an der PH zur Infoveranstaltung für das anlaufende Frühjahrssemester erwartet: Herauskommen soll ein Fachdiplom in Deutsch, damit ich auf dem ausgetrockneten Arbeitsmarkt der Lehrkräfte Fuss fassen kann.
Ich habe Bammel.

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