Die Göttin

Marcel Prost

Als ich Katie Crutchfield von Waxahatchee das erste Mal singen hörte, versuchte ich mir sofort vorzustellen, eine Frau zu sei: So verbindlich und empfindsam, humorvoll und doch bestimmt. Klagend und leidend, aber auch verständnisvoll. Dazu zart und verletzlich, so unendlich begehrenswert und alles in allem (natürlich!) wunderwunderschön.

Doch ist es wirklich so schön, eine Frau zu sein? Schliesslich gibt es ja auch noch uns Männer. Zuwenig Aufmerksamkeit und wahres Interesse schenkt der Mann der Weiblichkeit. Abgesehen vom steten Drängen zum Beischlaf und dem total verblödeten Verteilen des Spiesserkompliments, wie gut Frauen doch im „Multitasking“ sind. Da kommt mir echt das – padonnez moi – Kotzen. Als ob die Mädels „Multitasking“ (würg) so virtuos zelebrierten, nur weil sie es halt „können“.
Weil sie müssen, – so muss es heissen! An irgend jemandem bleibt es doch hängen, diesen männlich geprägten, abgewrackten Global-Saftladen und vor allem die Familien zusammenzuhalten Hi there! Männekens. Freischwebend rotierende Du-MUSST-aber-die-Gymiprüfung-Machengeschädigte, dauererkältete Rotbullenbrause (mit einem Schuss Ritalin)-süchtige pseudohochbegabte smartphoneverseuchte Bratzen. Schon mal davon gehört? Von Euren Kindern, Männer! Nicht? Dann ist es höchste Zeit für ein teilhabendes gemeinsames Update. Schliesslich sind unsere Kinder ALLES, was wir haben. Zudem sind sie lieb, lustig sowie so herzerwärmend schmeichelnd Müüdigkeit vorschützend, wenn’s dann mal was zu tun gibt. Dazu sind noch total verschmust und natürlich jeden Franken ihres exorbitant hohen Taschengeldes wert.

Cover von Waxahatchees Album Saint Cloud.


Womit ich dann von den Göttinnen des Alltags zum Titel dieser Kolumne – quasi zur SIE-Göttin zurückkomme, denn solange Gott ein Mann bleibt, wird sich am beschämenden Zustand unseres Planeten nichts ändern.

Gott muss weg!

An seine Stelle gehört eine Göttin! Was das ändern würde – was SIE ändern würde? Alles!

Eine Göttin würde zum Beispiel mal im Kreml vorbeischauen. Über den Samowar gebeugt sagt SIE dann zum Hausherrn:

„Setz dich bitte hin, wir müssen reden“. Wenn eine Frau diese beiden kurzen Sätze einem Mannsbild knapp über die Dumpfbacken pfeffert – da werden mir bestimmt einige meiner Artgenossen beipflichten – dann ist fertig lustig. Die sorgsam aufgebaute, selbstgefällige Mauer aus maskuliner Ignoranz stürzt vielleicht nicht gerade in sich zusammen, als dröhnten tausendfach verstärkt die Posaunen von Jericho, aber zumindest sieht- und hört Frau den Mauermörtel langsam, aber stetig zu Boden rieseln.

Es folgt eine Standpauke in Sachen – kann man es anders nennen – Göttinliche Ordnung? SIE stellt den russischen Machthaber vor die Wahl: Entweder sofortiger Stopp des Krieges in der Ukraine samt hochoffizieller Entschuldigung und Wiedergutmachung sowie persönlich das schnellstmögliche und endgültige Verkrümeln in eine sibirische Datscha.

Oder: Göttinnendämmerung über ganz Russland: von Moskau bis nach Anadyr; von Krasnojarsk bis runter nach Irkutsk.

Dann streicht die Göttin dem Wäregern-Zaren über das schüttere, aber deswegen nicht minder fettige Haar und fragt ihn, ob SIE ein paar Piroschki aufwärmen soll. Darauf schiebt SIE sachte den Schlüssel zur sibirischen Datscha über den Tisch und alles wird gut.

Epilog

Ach, Katie Crutchfield, wenn nur DU meine Göttin wärst.
Ich teilte DICH auch gerne mit dem Rest der Welt. Ein kleines Privileg, nur, erbäte ich mir: dass DU mir jeden Tag eine Strophe aus einem DEINER Lieder sängst. Zum Beispiel:

When I live a sparse existence, I’ll drop down in the fold
Lean in to an urgent falter, spin silence into gold
I run it like the crop of kismet, I run it like a dilettante
I run it like I’m happy, baby, like I got everything I want

(taken from the song „Lilacs“)

Wenn ich ein spärliches Dasein führe,
Werde ich mich in den Schoss fallen lassen
Ich lehne mich an ein dringendes Zögern an, spinne Stille zu Gold
Ich führe es wie die Ernte von Kismet, ich führe es wie eine Dilettantin
Ich führe es, als wäre ich glücklich, Baby, als hätte ich alles, was ich will

(aus dem Lied „Flieder“ („Lilacs“))

Waxahatchee
Saint Cloud
2020

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