Anker lichten

Letzthin gab es in einem unserer beiden sterbenden Regionalblätter, die wie alle Publikumszeitungen stromlinienförmige Verstärker von Markt- und Politschreiern sind, ausnahmsweise journalistische Tiefe: Thema war das «Maiezyt» in Habkern, seinem Namen zum Trotz ein schattiger Hof in Habkern am Weg zur Lombachalp.
Das Maiezyt war zuletzt durch einen ebenso wortgewaltigen wie antriebsschwachen Zampanoo oder Guru aufgefallen, der von neuen Ökonomien und Menschen plauderte, aber die Wertschöpfung links liegen oder andere erarbeiten liess und jedenfalls Fersengeld gab.
Davon war aber im Regionalblatt nicht die Schreibe, und auch nicht vom Paar, das inzwischen im Maiezyt neu angefangen hat, schlicht einen gastgewerblichen Betrieb führt und damit hoffentlich durchkommt.

Information hier

Maiezyt in Habkern.

Vielmehr stand zu lesen, welche pädagogische Bedeutung das Maiezyt vor ein paar Generationen gehabt hatte: In einer vierteiligen Serie kamen die Leserinnen und Leser in den hierzuberge seltenen Genuss von fast schon investigativem, jedenfalls recht tiefschürfendem und aufwändigem Journalismus – wirklich lesenswert, auch wenn bei weitergehendem Interesse das Buch zur Serie dazugehört, das im Blatt leider nicht vorkommt: Begerts letzte Lektion von Fredi Lerch.

Desinformation dort

Dasselbe Blatt war freilich in anderen Zusammenhängen Marktschreiern aufgesessen: Als im legendären Restaurant zum Goldenen Anker in Interlaken der erste Anlauf zum Beginn einer neuen Epoche scheiterte, fuhr die Zeitung den neuen Eigentümern des Ankers in hochnotpeinlicher Art an den Karren: Fake at its worst – der persönliche, grundsätzlich satirische Blog hier war viel näher dran, und zwar schon lange vor dem Abbruch des ersten Anlaufs.
Dübendorfers indessen reagierten souverän, sprich überhaupt nicht, der Anker ist derweil geschlossen, Corona schrecklich dazwischengefahren.

Nebel lichten sich

Aber nach Lage der Dinge könnte sich der Anker bald lichten und das Kultlokal im zweiten Anlauf buchstäblich wie Phönix aus der Asche steigen. Seit einiger Zeit verdichten sich nämlich die Zeichen, dass Dübendorfers, bei denen die nächste Generation gastgewerblich in den Startlöchern steht, in ihrem Hotel Bellevue und im Anker ein grosses, neues Kapitel aufschlagen werden.

Dabei geht es nicht nur und wirtschaftlich nicht vor allem darum, den Anker in neuem altem Glanz wiederaufleben zu lassen und als Konzert- wie auch als Speiselokal den tiefen Spuren zu folgen, die Jeannette und René Sutter-Ammann über Jahrzehnte gelegt haben.

Denn zuerst kommt die Beherbergung: Seit Dübendorfers vor fast genau 20 Jahren angefangen und einen maroden Betrieb übernommen haben, bauten sie Saison für Saison auf und aus: erfolgreich das Wagnis, parallel zum Hotel eine Lodge zu installieren, erfolgreich das Wagnis, in dieser grossen und verschachtelten Kubatur Halbgeschoss für Halbgeschoss und Zimmereinheit für Zimmereinheit à jour zu bringen und womöglich aufzuwerten – mittlerweile zum Boutique-Hotel mit vier Sternen.

Das Hotel Bellevue rechts, der Goldene Anker links, der neue Annex ganz links.

Detox-Zimmer und richtige Bühne im Anker

Sozusagen zum Einstieg der zweiten Generation könnte nun ein entsprechender Schritt folgen: Erhöhung der Beherbergungskapazität um rund ein Drittel, Einrichtung von Detox-Zimmern mit geringer Strahlenbelastung, alles grundsätzlich nach wie vor zugleich ausgerichtet auf ein tieferes und ein höheres Segment und natürlich tauglich für Gruppen und das Gruppengeschäft.

Ins Spiel kommt dabei der Anker, wie das Bellevue ein denkmalgeschütztes Gebäude: im hinteren, lässlichen Teil ein Neubau mit Hotelzimmern, in den Obergeschossen vorn weitere Hotelzimmer, im Parterre schliesslich der Goldene Anker in neuem Glanz.
Die Bühne nicht mehr mühsam an der Seite, sondern hinten statt der Küche, wo einst René seinen Ankerspiess, seine Fajitas und andere Spezialitäten rausliess: ein Grundriss, der René immer vorgeschwebt hatte, und wenn das alles wahr wird, könnte es durchaus sein, dass Jeannette und René ihr feines Händchen und ihre gastliche Herzlichkeit bisweilen irgendwie ins Spiel bringen.

Nicht zu vergessen: Die Rede ist überdies von einem für Interlaken einzigartigen, geradezu urbanen Innenhof für den Anker mit Jungfraublick: zu liegen käme er gleich hinter dem kleinen Haus neben dem Anker, das inzwischen zum Ensemble gehört und als gastgewerblicher Annex von Anker und Bellevue angedacht ist.

Wenn denn das alles kein Traum ist, bliebe vor allem zu hoffen, dass sich in scharfem Gegensatz zum ersten Anlauf Leute für den neuen Anker finden, die zugleich in der Küche, im Service und am Bühnenrand einigermassen in die Fussstapfen von Jeannette und René passen: keine einfache, aber eine faszinierende Aufgabe – und an Dübendorfers dürfte sie kaum scheitern.

2 Kommentare

  1. Peter – danke für den schönen Artikel. Gibt Hoffnung auf eine Zukunft, so wie wir sie gerne hätten: lokales Engagement, global vernetzt. I glaube, das chunnt guet!

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