10’000 times heartbroken

Von Marcel Prost

Wie kann man nur eine solche Aussage tätigen? Das will erstens niemand hören und zweitens bringt es nichts. Doch es gibt natürlich einen Grund es trotzdem zu tun: Die Wahrheit. Weil, jede Lüge bricht mir das Herz. Nur, gibt es erstens die Wahrheit nicht und zweitens bringt… aber das hatten wir ja schon. Grundsätzlich ist die Menschheit gefangen im Laufradkäfig der Verteidigung vom komplett falschen Paradigma betreffend „Gut und Böse“. Eine Moral gab es nie, respektive es wurde immer nur von wenigen versucht nach moralischen Vorstellungen zu leben um nicht zu sagen die Vorstellung davon nachzuahmen. Donnie Sickbrain Trump hat das nicht als erster offengelegt, aber bisher am wirkungsvollsten zu seinen Gunsten umgemünzt: Sprich das Böse im Menschen positiv an und es kommt zur befreienden emotionellen Hassexplosion einerseits und zu Wählerstimmen andererseits. Good to be bad! IT’S GREAT TO HATE! Jetzt auch in der Schweiz erhältlich.
Wir standen lange unter dem Eindruck von klassischen, netten Philosophie-Naivlingen wie beispielsweise dem Schulstubenschreck Rousseau, der vor allem das Gute im Menschen sah und alles Schlechte den äusseren Einflüssen der Hyperzivilisation in die Schuhe schob. Natürlich war JJR kein Idiot und er war der Spur nach auch auf dem richtigen Weg. Doch er hätte sich nicht träumen lassen, was aus der Menschheit noch so werden würde. Eine Menschheit, die doch zu seiner Zeit offenbar ach so Emphatie-talentiert war. Oder der grosse Hegel, dessen gesamtes Werk im Grunde genommen einzig eine Ansammlung von ekzessiven Wortspielereien um den Begriff „ist“ darstellt: Ein deutscher Turboidealist ! Die haben es auch nötig. Nicht die Idealisten, die Teutonen. Nur wenige Denker wagten und wagen es, den Tatsachen ins Auge zu blicken. Immer nur, geht es darum von der dominierenden Verkommenheit der menschlichen Kreatur abzulenken; das schändliche Gesamtwerk zu – weiss der Kuckuck was – rechtfertigen oder wohl eher zu tarnen. Löbliche Ausnahme: Marquis de Sade! Leider auf alle Ewigkeit behaftet mit seinem Spezialgebiet, das sich in den Köpfen der Öffentlichkeit so festgesetzt hat, dass keine Gleitkrem hilft, das gar einseitige Interesse an einem Top-Philosophen, nun ja, zu lösen. Dieser Donatien Alphonse François de Sade nannte das Kind beim Namen: nämlich die Tötungs- und Zerstörungssucht der Menschen (bemerkenswert und beim ersten Lese- und Denkdurchlauf auch schwer akeptierbar: inklusive der Frauen?! Aber es stimmt. Menschen töten „über Bedarf“. Pausenlos.). Zudem ist seine Einordnung des Menschleins in der ganzen Evolutions-Mischpoke prägnant: reine Materie, dessen Zweck nach dem Tod in optimaler Weise zum Beispiiel bei der Entstehung von neuen Hornissen dient. Hornissenfutter, also. Mein Wort des Jahres. Chapeau, Monsieur de Sade!
Auf die Zukunft bezogen kommt erschwerend hinzu, dass bekanntlich die schlausten Köpfe ganz sicher nicht an den Universitäten- und anderen Hockschulen sitzen. Entpuppt sich jemand in einem Feld – nehmen wir die Soziologie – als ausgesprochener Schnelldenker, wird er vom akademischen Establishment garantiert kalt gestellt. Ein aktuelles Beispiel? Michel Houllebecq. Ja, genau der. Gilt ja eigentlich als Literat mit Schmuddel-Image, ist aber im Grunde genommen ein, wenn auch nicht gerade Universal-Gelehrter, so doch zumindest ein Radarhirn sondergleichen. Immer noch lesenswert.
Seitdem der Mensch entdeckt hat, dass ihn Besitztum aufgeilt, hat er alles verloren. Paradox auf den ersten Blick, rundum sichtbar auf den näheren. Wer sich innerhalb eines natürlich-gewinnstrebenden kapitalistischen Systems befindet – also so gut wie wir alle – kann offenbar gar nicht anders als von morgens bis abends zu lügen. Man belügt alle anderen, aber in erster Linie sich selbst. Mir ist das schon geschätzte zehntausend Mal untergekommen. Das ist die Matrix von Gewinn und Besitz. Respektive von Bescheissen und Ausbeuten, Gewinnen und Verlieren, von Treten und Kuschen. Die wenigen Leute, die es schaffen, sich diesem Komplott zu entziehen sind entweder finanziell unabhängig, sozial isoliert oder in einer psychiatrischen Einrichtung. Oder einfach gut! Natürlich läuft es in anderen (totalitären) Systemen nicht besser. Siehe Sozialismus: auch dort gönnt der gleichgeschaltete diffamierende Erdenbürger seinem Nachbarn die Luft zum atmen nicht.


Das schwerst wiegende Problem unseres Planeten ist nun mal der Homo Sapiens. Das überflüssige Tier, sozusagen. Schliesslich sind wir biologisch gesehen Säugetiere der Unterordnung Trockennasenaffen. Keine neue Feststellung, aber gerne wieder mal in Erinnerung gerufen.

Diese Kolumne ist weder eine Anklage, noch ein Vorwurf. Das Leben ist schliesslich häufig auch ohne nachzudenken schwer genug. Zudem sind Verallgemeinerungen stimmungstrübend und unnütz. Persönlich schätze ich das Verhältnis von Gut zu Böse auf 30% zu 70% ein. Und dies, versteht sich, als praktizierender Nicht-Misanthrop, der naturellement auch keinen Deut besser ist als alle anderen.

Das Einzige was uns Menschen retten könnte, sind eigentlich unsere grössten Stärken: Liebe und Solidarität. Doch das können wir wohl vorläufig und auch weiterhin vergessen. Ausser bei Profilierungshappenings zugunsten von Kriegsflüchtlingen. Einfach, je nach Couleur und Herkunft… Zur Besinnung kommen werden wir erst, wenn es vermutlich zu spät sein könnte. Bis dann, lasst uns singentanzen, fressensaufen, fickenkicken, Feste feiern. Und nicht vergessen, das, was wir in der Unterklasse der Primaten am besten können: Die Banane vor dem Verzehr stillvoll schälen.

Ein Hort des Trostes in dieser Welt bleibt die Kunst. Diese kommt zwar nicht nur von Können – sondern von Künden. Punkmusik tat sich mit dem Kunstbegriff immer schwer. Die „Bewegung“ hat sich dieser und anderen Klassifizierungen auch lange verwehrt. Punk war eigentlich mehrheitlich ein Fashion- und Marketingprodukt. Das führte soweit, dass sogar Mittelstands-Hosenscheisser-Bands wie die „Doctors“ oder die „Dead Trousers“ nördlich des Rheins unter Punk liefen. Ein Witz von Anfang an, der sich zur monströsen Groteske ausgewachsen hat. Doch es gab und gibt natürlich gute Punkbands. Und das beste Punk-Album aller Zeiten heisst Pink Flag von WIRE: 21 Songs verteilt auf schlanke 35 Minuten. Fadengerade und erst noch (eher punkuntypisch) mit einem Schuss Ironie. Und der Schlagzeuger lässt sogar das Hi-hat nicht durchgehend offen und stoppt auch mal ein Becken ab. Eine Punk-Offenbarung aus dem Jahre 1977: Elf von zehn Punkten – der Mensch muss gut sein !

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/en/3/3e/Wirepinkflagcover.jpg
Pink Flag – Wire (1977)

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